Heute gibt es ein spannendes Schmankerl aus der Forschung. Ich bin gestern über eine Studie von Kanning (2014) gestolpert, in der er elf Psychologie-Mythen entlarvt. Die Psychologie ist ein faszinierendes Feld, das uns helfen kann, das menschliche Verhalten besser zu verstehen. Doch leider gibt es in der Alltagspsychologie viele Mythen, die sich hartnäckig halten, obwohl sie wissenschaftlich widerlegt wurden.
Mein Top 3 aus der Studie (Kanning, 2014):
Gehirnausnutzung: „Der Mensch nutzt nur 10 Prozent seines Gehirns.“ Seit vielen Jahren geistert diese Annahme durch die Medien. Sie ist jedoch schlicht falsch, wie Untersuchungen per EEG oder MRT belegen: Diese zeigen stets umfassende Aktivitäten in vielen Bereichen des Gehirns auf. Findige Geschäftemacher nutzen das Unwissen der Menschen, um Trainingsprogramme zur Steigerung der Hirnleistung zu vermarkten.
Physiognomik: „Der Abstand der Augen, die Größe des Kinns oder ähnliche Merkmale des Schädels verraten etwas über die Persönlichkeit eines Menschen.“ Die Psycho-Physiognomik („Schädeldeutung“) erlebt seit einigen Jahren eine un- erwartete Renaissance. Manche Vertreter dieser Pseudowissenschaft schreiben Bestseller und treten unkritisiert in Talkshows auf, obwohl sie nichts zu bieten haben, was einer ernsthaften Prüfung standhalten könnte.
Psychotherapie: „Für eine erfolgreiche Psychotherapie ist es notwendig, dass der Therapeut sich intensiv mit der Kindheit des Patienten beschäftigt.“ Die Aufarbeitung der Kindheit ist ein typisches Element der Psychoanalyse bzw. tiefenpsychologisch fundierter Therapieformen. Andere Therapieformen wie etwa die Verhaltenstherapie verzichten aber bei der Behandlung vieler psychischer Störungen auf eine umfassende Aufarbeitung der Kindheit. Die Annahme ist dementsprechend falsch, wie unzählige Studien zur Wirksamkeit nicht- tiefenpsychologischer Therapieformen belegen. Ihre Verbreitung ist damit zu erklären, dass für viele Laien die Psychoanalyse heute immer noch ein Synonym für Psychotherapie ist.
Interessant an der Studie ist, dass nur eine Minderheit die ausgewählten Mythen aus der Alltagspsychologie tatsächlich glauben. Ich empfinde es als wichtig, dass wir uns von diesen Mythen lösen und uns in der Arbeit mit Menschen auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu stützen. Die Psychologie hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht und liefert uns ein tieferes Verständnis für das menschliche Verhalten.
Indem wir uns von falschen Annahmen befreien, können wir ein realistischeres Bild von uns selbst und anderen Menschen gewinnen. Wir können unsere Entscheidungen auf fundiertes Wissen basieren und effektive Strategien entwickeln, um unser Wohlbefinden zu verbessern und erfolgreich mit anderen zu interagieren.
Ich bin gespannt, was Deine Meinung zu der Studie ist.
Kanning, U. P., Rist, F., Schmukle, S., Ehring, T. & Thielsch, M. T. (2014). Mythen der Alltagspsychologie II – Aus welchen Quellen speisen Menschen ihr Wissen über vermeintliche Forschungsergebnisse und wie gut sind diese Quellen? Skeptiker: Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken, 28 (1), 4-12.
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